Langfristige Zinsen steigen weiter: Kommt der Crash an den Märkten?


Die langfristigen Zinsen von Staatsanleihen sind ein sehr zentraler Faktor für die Zinssätze im Kreditgeschäft der Banken, insbesondere bei Immobiliendarlehen. Gleichzeitig dienen sie den Investoren als relativ risikoarme Alternative zu Aktien und Immobilien. Dabei ist die 10-jährige US-Staatsanleiherendite wohl die entscheidende Rendite für die weltweiten Bondmärkte. Bereits im Sommer kletterte sie mit mehr als 4,3 % auf ein 15-Jahreshoch. Mittlerweile ist der Markt aber in ganz andere Sphären durchgedrungen und die 10-Jahresrendite erreichte am Montag die 5 %-Grenze. Dabei spielten die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer nicht die entscheidende Rolle, denn die 2-Jährige Rendite der US-Staatsanleihen ist nur sehr moderat gestiegen. Im Juli lag die 2-jährige Rendite noch ca. 1 % über der 10-jährigen Rendite, aktuell sind es nur noch 0,2 % bis 0,3 %. Es ist vielmehr die Unsicherheit über die Haushaltspolitik der Vereinigten Staaten. Die immense Schuldenlast und die hohe Neuverschuldung führen zu einer Flut von Neuemissionen bei den US-Bonds. Gleichzeitig sorgt die Fed durch ihren Bilanzabbau von 95 Milliarden $ (davon 60 Milliarden $ US-Staatsanleihen) pro Monat für noch mehr Angebot auf dem Markt. Daher stellen sich die Marktteilnehmer die Frage: Wer soll die ganzen Staatsanleihen kaufen? Aufgrund dieser Unsicherheit stieg die sog. „Laufzeitprämie“ bei langfristigen Anleihen in den letzten Monaten an. Doch welche Auswirkungen hat das auf die Aktien- und Immobilienmärkte?

Letztlich gibt es nur zwei Lösungen, um aus der Staatsanleihekrise herauszukommen: Entweder muss die US-Regierung die Steuern erhöhen und die Sozialausgaben senken. Oder die Fed muss den Bilanzabbau stoppen und den Märkten signalisieren, dass sie im Notfall wieder Anleihen ankaufen wird. In der Eurozone kennen wir die Situation schon: 2011 und 2012 steckten die südlichen Euroländer in der Schuldenkrise. Darauf folgte der berühmte „Whatever it takes“-Moment des damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi. Doch beim Vergleich mit der Eurokrise 2012 gibt es einen entscheidenden Unterschied zur aktuellen Lage in den USA: Die Inflation. Obwohl der US-Staatsanleihenmarkt momentan extrem volatil ist und die Unsicherheit der Investoren zugenommen hat, macht die Fed (noch) keine Anstalten, aktiv einzugreifen, um die Lage zu beruhigen. Sie hat Angst, dass ein Eingriff den oft genannten „Fed-Put“ für die Aktien- und Immobilienmärkte reaktivieren könnte. Dies bedeutet, dass die Anleger anschließend wieder fleißig in Aktien und Immobilien investieren könnten – mit dem Hintergedanken, dass die Fed bei allen Schuldenproblemen notfalls eingreifen und die Märkte mit Notenbankgeld „zuschütten“ wird. Diese Erwartungshaltung will sie aber vermeiden, da steigende Asset-Märkte die Vermögenssituation der US-Bürger verbessern würde und damit auch die Inflation antreiben könnte.

Solange die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt in den USA nicht deutlich an Schwung verlieren, könnte die Fed erstmal stur bleiben. Dies erhöht wiederum den Druck auf die US-Regierung. Die Haushaltsdebatte zwischen den Republikanern und den Demokraten dürfte von der maßlosen Neuverschuldung und den steigenden Refinanzierungszinsen geprägt werden. Mitte November läuft der Übergangshaushalt aus. Bis dato muss also eine Einigung erzielt werden, in welchen Bereichen und in welcher Höhe Einsparungen getroffen werden. Das Problem für die Aktien- und Immobilienmärkte besteht darin, dass deutliche Einsparungen beim US-Haushalt die Konjunktur belasten würde und damit auch in gewissem Umfang die Aktien- und Immobilienmärkte. Falls keine großen Einsparungen und weiter fleißig Schulden gemacht werden, dann werden die Renditen der Staatsanleihen wohl für längere Zeit auf einem sehr hohen Niveau verweilen. Zudem wird durch die hohen Staatsausgaben auch die Inflation stimuliert. Das dürfte für die Märkte wahrscheinlich noch schmerzhafter sein, da die Kreditvergabe immer stärker darunter leiden und die Liquidität an den Finanzmärkten immer knapper wird – ganz nach dem Motto „until it breaks“. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass die Notenbanken oft erst reagieren, wenn am Finanzmarkt etwas „zerbricht“: Entweder durch hohe Kreditausfälle (insbesondere im Immobiliensektor) oder eine Liquiditätsknappheit im Bankensektor wie im März 2023. Dies würde Panik auf den Aktien- und Immobilienmärkten auslösen und die Erwartung eines „Soft Landing“ der Wirtschaft könnte sich einmal mehr als Illusion erweisen.        

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